Harbach historisch – Geschichte(n) rund um das Dorf

Harbach historisch – Geschichte(n) rund um das Dorf

heute: „Der Pflug des kleinen Mannes“ – Ein Spaten aus dem 19. Jahrhundert

Nach einer Sommerpause lohnt in diesen Tagen einmal wieder der Griff in unsere Mottenkiste – wobei Motten den Gegenstand unserer heutigen Betrachtung naturgemäß wenig anhaben können. Er ist nämlich aus Holz und Eisen.

Vor einigen Tagen erhielt ich von einem ehemaligen Bewohner Hattenrods, unserem Nachbardorf, einen Spaten aus dem 19. Jahrhundert, worüber ich mich glücklich schätzte. Er hatte diesen dort in den 1980er Jahren vor dem Entsorgen gerettet. Wie auf dem Foto leicht zu erkennen, weicht das Arbeitsgerät in seiner Optik deutlich von heutigen Spaten ab. Grund genug also, sich das Stück und dessen Geschichte einmal näher zu betrachten.

Der ursprünglich ganz aus Holz hergestellte Spaten wurde spätestens seit der römischen Zeit an der Schneide mit einem sogenannten Eisenschuh bzw. einer Eisentasche versehen, um Wirksamkeit und Haltbarkeit der Schneide zu erhöhen.

Diese Konstruktionsform tauchte auch im Mittelalter auf und ist in dieser Form in unserer Gegend sowohl durch Fundstücke als auch durch Zeichnungen oder Reliefdarstellungen belegbar. So wird solch ein Spaten im Museum Lauterbach ins 13. Jahrhundert datiert und ist ein solches Arbeitsgerät mit „Christus als Gärtner“ auf einem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Sandsteinrelief an der Kirche von Großen-Linden zu sehn.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fanden derartige Spaten, bisweilen auch „Grabscheide“ genannt, in unserer Region Verwendung, obwohl mit der industriellen Revolution auch bereits Spaten mit einem vollständigen Stahlblatt hergestellt wurden.

Die traditionelle enge Bindung des Menschen an sein seit Generationen bewährtes Arbeitsgerät mag hier gegenüber der neuen Konstruktion des Metallspatens noch eine zeitlang überwogen zu haben. Womöglich spielten auch der Anschaffungspreis sowie die Tatsache eine Rolle, dass die Grabtiefe der randbeschlagenen Holzspaten noch als ausreichend erachtet wurde.

Unser Spaten ist 101 cm hoch und hat neben dem Stiel einen ausgeprägten Holzkern. Dieser ist von einem Eisenschuh umschlossen, welcher eine gerade Schneide hat. Der obere Rand des Holzkerns wird ebenfalls von Metall überlappt, um diesen besser gegen Abnutzung zu schützen.

Der Griff ist zweifellos neuzeitlich. Zum Zeitpunkt der Herstellung verfügte er üblicherweise über einen hölzernen Griff in Form eines „liegenden D’s“.

Initiale oder Markierungen auf dem Stiel oder dem Blatt sind nicht festzustellen. Auch ist unklar, wer den Spaten fertigte. Ob er nach Zulieferung von einem Wagner- und Stellmacher von einem örtlichem Schmidt hergestellt wurde oder trotz händischer vorindustrieller Fertigung Mitte des 19. Jahrhunderts bereits von Händlern erworben wurde, ist unklar.

Die Arbeit mit diesem Gerät unterschied sich sicher deutlich von heutigen Spaten und war gewiss nicht leicht. Der Spaten musste eher wie ein Keil in den Boden getrieben werden, wodurch aufgrund der Dicke des Holzkerns ein Spalt entstand. Die Grabtiefe war aufgrund der Konstruktionsdicke geringer als die neuern schlanken Metallspaten.

Da aufgrund der fehlenden Wölbung des Spatenblatts die Scholle keinen ausreichenden Halt auf dem Blatt fand, musste sich der Grabende womöglich mehr bücken oder das vorzeitige Abrutschen der Erde durch geschicktes Gegensteuern verhindern, was einen erhöhten Kraftaufwand bedeutet haben dürfte.

Schwere Böden mögen am hölzernen Kern hängen geblieben sein, vor allem wenn Blatt und Kern durch Abnutzung rauh wurden. Daher dürfte der Grabende auch einen Eimer mit Wasser bei sich getragen haben, um durch ein regelmäßiges Säubern des Blattes die Gleitfähigkeit wiederherzustellen.

Die im Freilichtmuseum Hessenpark vorhanden sechs Vergleichsobjekte ähneln unserem Objekt sehr stark und werden ihrerseits allesamt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugeschrieben. Insofern ist davon auszugehen, dass das hier beschriebene Exemplar ebenfalls mehr als 170 Jahre alt sein dürfte.

Ein stolzes Alter für ein dereinst alltägliches Arbeitsgerät und letztlich auch eine glückliche Fügung, dass es diese Zeitspanne überdauerte. Gönnen wir ihm mit diesen Zeilen die Wertschätzung, die es verdient.

Bis zum nächsten Mal,

Euer

Sven Schepp

Literaturhinweise:

Rumpf, Karl: Hessische Spatenforschung, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde (ZVHessG), 67 (1956), S. 206-214

Stockey, Friedrich: Randbeschlagene Holzspaten und Eisenspaten aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert in Hessen, in: Hessische Heimat, 45. Jg. 1995, Heft 4